Berlin Marathon 2016

Am 24. September fuhren wir zu dritt auf Einladung des Run-Packs nach Berlin, um gemeinsam die Läuferinnen und Läufer zu unterstützen. Was wir erlebt haben, sprengte alles bisher Dagewesene.

Von Hamburg nach Berlin. Eine ödere Strecke gibt es kaum. Vielleicht noch von Torgau nach Bernburg, aber sicher bin ich mir nicht.

Mitten in der Nacht treffen wir uns am Lager in Hamburg-Bahrenfeld und bestücken unsere treuen Kleinwagen mit dem Nötigsten. Kalte Nüsse, Surfbretter und lackierte Ölfässer mit unserem Logo quetschen wir in Polo und Co. „Treffen ist an einem Cheer-Point“, erklärt Dezi geheimnisvoll. Aha. Noch nie gehört und bis zu diesem Tag war Laufen für Torge und mich der mit Abstand langweiligste Sport nach Cricket und Synchronschwimmen.

Ob der unchristlichen Zeit erreichen wir die Berliner Vorbezirke nach ca. 3 Stunden Fahrtzeit gegen 8 Uhr morgens. Natürlich ist die Strecke schon abgesperrt und wir müssen uns durch ein Labyrinth von zugeparkten Einbahnstraßen unserem Zielort nähern. Noch eine Querstraße und wir sind da. Wir WÄREN da. Eine rot-weiße Balustrade macht uns unmissverständlich klar, dass hier kein Durchkommen ist.

Also Fenster runter und der kühne Versuch eines norddeutschen Flirts: „Halloooo. Können wir hier noch kurz durch?“

Die Dame, sichtlich überrascht hochdeutsch zu hören, bellt freundlich zurück:“Dit is jetzt aber nich euer Ernst, wa? Gerade ist der Wagen mit der roten Fahne durchjefahrn. Nu is Schluss!“

Klasse. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die gesamte Ausrüstung noch knapp einen Kilometer zu tragen. Meine Stimmung steigt.

Nach endlosen 20 Minuten erreichen wir endlich unser Ziel. Kilometer 37,5. Hier werden Helden geboren. An einer Kreuzung unter einer schmucken S-Bahn Unterführung hat sich der Kern des Run-Packs schon zusammengerottet. Alles in allem vielleicht 10 Leute. Oha. Hier soll ne Party steigen? Skepsis macht sich breit. Der Empfang ist allerdings mehr als herzlich. Lisa freut sich, dass wir nun endlich da sind und stellt uns den anderen vor. Wir bauen unsere Habseligkeiten auf und drapieren KopfNüsse in den mitgebrachten Kühlboxen. Zeit sich ein wenig umzuschauen. Mir fällt gleich der schier unerschöpfliche Vorrat an Bier auf. „Wir erwarten hier nachher so um die 100 Leute und Run Crews aus ganz Europa“, erklärt uns Marc mit ernstem Blick. Letztes Jahr gings ordentlich zur Sache, da waren einige um 12 Uhr schon außer Gefecht“. Ich muss grinsen. 100 Leute? Um 12 Uhr schon Ende? Das glaubt der doch selber nicht? Ein lokaler Vodka-Hersteller hat einige Buddeln gesponsert und schnell machen die ersten Longdrinks mit KopfNuss die Runde. Es wird probiert und wir ernten wohlwollendes Nicken. Dem Rudel schmeckts.

Neben schwarzen Fahnen mit Run-Pack-Logo und Logos der anderen Laufcrews ist die Truppe auch noch mit selbst gemalten Schildern, Megaphonen und einen großen, noch geschlossenen und sehr mysteriösen Tüte ausgestattet.

 

Nach und nach strömen immer mehr Menschen an die Absperrung und harren der Dinge die da kommen werden. Auf der Strecke brettern nun die Handbiker in hohem Tempo dem Ziel entgegen. Dann kommt erstmal nichts.

„In fünf Minuten kommt die Elite“, informiert uns Marc. Wir sind gespannt und fixieren nach kurzer Zeit am Horizont die ersten beiden Läufer, welche sich schnell nähern. Die Läufer aus Kenia und Äthiopien mit dem Körper eines 12-Jährigen und Beinen wie Fahrradspeichen, rennen in einem unglaublichen Tempo an uns vorbei. Uns bleibt nur ein kurzer Augenblick, um zu klatschen und ihnen Anfeuerungen hinterherzujohlen. Dann sind sie schon hinter der nächsten Kurve verschwunden.

Ihnen folgen in kurzen Abständen immer mehr Profi-Läufer. Mittlerweile ist unser Cheer-Point gut gefüllt und einige Damen haben sich in Cheerleader-Uniformen geworfen. Unsere Gruppe ist derweil auf mindestens 100 Leute angewachsen. Es wird unruhig. Der erste Läufer des Run-Packs kündigt sich an. Was nun folgt hat mit ordinärem Laufen nichts mehr zu tun.

Let the show begin.

Zwei Cheerleader-Mädels laufen ihm entgegen und zünden 200 Meter vor uns bengalische Feuer. Die steckten also in der Tüte. Ihn eskortierend, nähert sich uns die kleine Gruppe. Die Menge tobt. Es werden Schilder hochgehalten („Gekotzt wird später“, Laufen Du musst“), Konfetti-Kanonen gezündet, gejohlt und geklatscht. Die Lautstärke ist atemberaubend und die Stimmung einfach nur ansteckend. Zur Beruhigung werden selbstgemachte Vodka-Jelly-Shots gereicht. Diese helfen selbstverständlich und wir gönnen uns eine kurze Verschnaufpause.

 

Nach 5 Minuten geht es weiter. Alle werden nach vorne gepeitscht. Das Run-Pack ist gnadenlos und schreit und böllert und konfettikanoniert alles und jeden in Grund und Boden. Absperrungen gelten nicht mehr und der Korridor wird immer schmaler, die Stimmung immer ausgelassener. Wir können erahnen, warum es im letzten Jahr die ersten Ausfälle bereits gegen Mittag gab.

Aufgeschreckt vom heiteren Krakeel gesellt sich plötzlich eine 20er-Schaft Berliner Ordnungshüter zu uns. Es wird auf die Einhaltung der Absperrungen gepocht. Ein wenig widerwillig tritt man den Rückzug an. Deeskalierend wird „Fuck the police“ laut über die mitgebrachte Anlage gespielt. Der gemeine Berliner Polizist nimmt es mit Humor. Respekt dafür.

Man bräuchte indessen ein Räumfahrzeug, um das Konfetti von der Straße zu fegen. Knöcheltief waten die Läuferinnen und Läufer durch die Papier-Schnipsel. Immer mehr Kanonen mit dem glitzernd22en Inhalt werden auf Kommando gezündet und verwandeln unsere Kurve in den glücklichsten und lautesten Ort von Berlin.

Nach knapp 4 Stunden ist alles vorbei und wir sind einfach nur geflasht. Vielen Dank, dass wir dabei sein durften. Im Überschwang hat Dezi seine Teilnahme für das kommende Jahr angekündigt. Wir sind somit also wieder am Start. Auf und neben der Strecke!


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